Kurz vor Weihnachten erzählte mir eine Freundin über eine für sie sehr enttäuschend verlaufende Entwicklung mit ihrer „angeheirateten Bonusfamilie“, sprich mit dem erwachsenen Sohn Ihres Mannes. Es war viel von verletzten Gefühlen die Rede und ihr „Kopfkino“ oder „Storytelling“ wie wir es in der Gewaltfreien Kommunikation (Gfk) nennen raste ungebremst auf die Feiertage zu. Oft viel der Satz: „Ein bisschen Stolz hab ich noch und diese Beschuldigungen brauche ich mir nicht gefallen zu lassen.“ Intuitiv spürte ich, dass der Begriff Stolz zu einer Trennung vom Lebendigen führte und nichts Lebensbereicherndes an sich hatte. Aber, war stolz sein nicht auch ein Gefühl das ja im 2.Schritt der Gfk artikuliert werden soll? Bei genauerer Betrachtung beschreibt „stolz sein“ kein Gefühl im Sinne der Gfk sondern eine Strategie mit dem Zweck wieder auf Augenhöhe mit der anderen Person zu kommen. Das dahinterliegende Bedürfnis ist sehr wahrscheinlich Schutz oder Wertschätzung. Ein ECHTES Gefühl das sich hinter dem sogenannten stolz sein verbergen könnte ist Traurigkeit, Resignation oder Hilflosigkeit.
Gelingt es einem den Auslöser für die verletzten Gefühle (Sohn) von der Ursache, nämlich seinen unerfüllten Bedürfnissen (Wertschätzung, Schutz, Verständigung) zu trennen, kann ich diese echten, gewandelten Gefühle (traurig, verunsichert, hilflos etc.) wahrnehmen. Ich schiebe nicht mehr die Schuld für meine desolate Gefühlslage dem anderen in die Schuhe, sondern übernehme die 100 %ige Selbstverantwortung für meine Gefühle.
Der 4.Schritt in der Gfk ist eine konkrete Bitte, die ich äußern sollte wenn ich möchte, dass die andere Person genau weiß, wie sie mich bei der Erfüllung meiner Bedürfnisse unterstützen kann.
Eine vollständige Gfk Aussage könnte folgendermaßen lauten:
„Wenn ich höre, dass du den Kontakt zu uns abbrechen möchtest, da wir unsere Chance eine bessere Beziehung zu euch aufzubauen nicht genutzt haben bin ich traurig und verunsichert, da mir sehr an gegenseitiger Wertschätzung in unserer Beziehung gelegen ist. Ich möchte dich bitten einen neuen Besuchstermin vorzuschlagen um uns auszutauschen. Kannst du dir das vorstellen?
Achten Sie in dieser Woche darauf wie oft bei Ihnen das Kopfkino abläuft und ob „Stolzsein“ dazu führt von anderen Menschen getrennt zu bleiben. Versuchen Sie die echten Gefühle und Bedürfnisse hinter dem "Verletzsein" herauszufinden.
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